1.3
Die Substrukturen des Mesencephalons der Wirbeltiere
Ein
Großteil der hier dargestellten Fakten sind nichtwörtliche Zitate aus dem Werk
"Wie einzigartig ist der Mensch" von Gerhard Roth, [48], Seite 180 bis 185. Sie
würden durch eine Umformulierung nicht an Substanz gewinnen.
Das
Mesencephalon (Mittelhirn) der Wirbeltiere besteht aus der isthmischen Region
dem Tegmentum der dorsal davor liegenden Torus- und Tectumregio
Diese drei Strukturen lassen sich weiter untergliedern.
- Die Isthmische Region:
enthält den Nucleus isthmi (bei Säugern als Nucleus parabigeminalis
bezeichnet), der bei allen Wirbeltieren reziprok und topografisch
(mit einer Punkt-zu-Punkt-Verbindung) mit dem Tectum (Collicului
superiores der Säuger) verbunden ist und die Aktivität der beiden
Tectum-Hemisphären koordiniert, etwa in Zusammenhang mit der
Orientierung von Augen-, Kopf- und Handbewegungen und mit der
Tiefenwahrnehmung.
Das Tegmentum beinhaltet vornehmlich prämotorische Funktionen und
enthält folgende Substrukturen:
-
Im ventralen Teil liegen die motorischen Kerne des Nervus
oculomotorius (III. Hirnnerv) und des Nervus trochlearis (IV
Hirnnerv).
-
Im dorsalen Teil befinden sich der Nucleus des Fasciculus
longitudinalis mediales und der dorsale tegmentale Nucleus,
die enge Verbindungen mit dem Tectum bzw. dem Colliculus
superior besitzen und vestibuläre Funktionen haben, besonders bei
der Koordination von Kopfbewegungen.
-
Das Tegmentum enthält auch eine Reihe weiterer Kerne wie den
dorsalen und den ventralen tegmentalen Kern und den
pedunculopontinen Kern. Sie bilden ein wichtiges Bindeglied zwischen
den limbischen Zentren des Zwischen- und des Endhirns, dem
periaquäduktalem Grau, der reticulären Formation und den visceralen
Gebieten in der Medulla oblongata im Zusammenhang mit der
emotionalen und vegetativen Steuerung des Körpers und des
Verhaltens.
-
Das Tegmentum enthält die Substantia nigra und die Area tegmentalis
ventralis, also das ventrale tegmentale Areal. Beide enthalten
dopaminproduzierende Projektionsneuronen. Die VTA projiziert
vorwiegend zum ventralen Striatum, genauer zum Nucleus accumbens und
ist eng in das limbische System eingebunden. Die Substantia nigra
dagegen projiziert zum dorsalen Corpus striatum. Das dopaminerge
System steht in Zusammenhang mit dem Belohnungs- und
Motivationssystem.
-
Das Tegmentum enthält den Nucleus ruber, der bereits
bei den frühesten Wirbeltieren nachweisbar ist. Er besteht beim
Menschen aus einem parvocellularen und einem magnocellularen Anteil,
erhält Input vom Motorcortex über den den Tractus corticorubralis
sowie über den Tractus cerebellorubralis
aus dem Kleinhirn. Der Output erreicht das Rückenmark über
den Tractus rubrospinalis
und über den Tractus rubroolivaris die Oliva inferior.
-
In der dorsalen Torus- und Tectumregion liegt der Torus
semicircularis der Wirbeltiere, der dem Colliculus inferior der
Säuger entspricht. Er liegt unterhalb des Mittelhirndaches (Tectum
mesencephali) und ist eine wichtige Schaltstelle des auditorischen,
mechano- und elektrorezeptiven Systems zwischen Medulla oblongata,
Kleinhirn und Zwischenhirn. Er zeigt durchweg eine Laminierung bzw.
Kernbildung, wobei verschiedene Schichten bzw. Kerne
unterschiedliche Sinnesmodalitäten empfangen bzw. verarbeiten. Die
von Roth im genannten Werk "Wie einzigartig ist der Mensch" auf
Seite 182 in Abbildung 27 dargestellte Laminierung und deren exakte
Beschreibung war für den Autor der Schlüssel zum Verständnis der
Interaktion von Signalen verschiedener Modalitäten in den
sogenannten "Interferenzschichten", die letztlich überhaupt
motorische oder intellektuelle Aktivitäten von Wirbeltieren erklären
könnte. Das Theorieelement der "Interferenzschichten" oder
"Interferenzkerne" kann jedoch nur erklärt und verstanden werden,
wenn man den cytoarchitektonischen Aufbau solcher Schicht- oder
Kernsysteme erklärt und verstanden hat.
-
Das
Tectum mesencephali ist nach Roth bei allen
Anamniern, allen Sauropsiden und vielen Säugern das wichtigste
somatosensorische, visuelle und auditorische Integrationszentrum des
Gehirns. Es weist bei den meisten Wirbeltieren eine laminare
Organisation auf, bei der sich Zell- und Faserschichten abwechseln,
die unterschiedliche Ein- und Ausgänge haben. Die Anzahl der
Schichten variiert in Abhängigkeit von der Bedeutung der
verschiedenen Sinnesleistungen für die konkrete Tierart im Kontext
ihrer speziellen Lebensweise.
-
Bei den Säugern wird das Tectum mesencephali
von der Vierhügelplatte (Corpora quadrigemina) gebildet.
Sie besteht aus den vorderen und den hinteren Hügeln (Colliculi
superiores und Colliculi inferiores). Die Colliculi superiores
entsprechen dem Tectum der übrigen Wirbeltiere und spielen eine
wesentliche Rolle bei visuell und auditorisch ausgelösten Blick- und
Kopfbewegungen sowie bei gerichteten Hand- und Armbewegungen. Die
Colliculi inferiores sind wichtige Zentren des Hörsystems. Das Tetum
mesencephali der Säuger ist gegenüber dem der anderen Wirbeltiere
relativ klein und wahrscheinlich reduziert, weil der Isocortex
entsprechende Aufgaben übernommen hat.