Gehirntheorie der Wirbeltiere

ISBN 978-3-00-064888-5

Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan

1.3  Die Substrukturen des Mesencephalons der Wirbeltiere

Ein Großteil der hier dargestellten Fakten sind nichtwörtliche Zitate aus dem Werk "Wie einzigartig ist der Mensch" von Gerhard Roth, [48], Seite 180 bis 185. Sie würden durch eine Umformulierung nicht an Substanz gewinnen.

Das Mesencephalon (Mittelhirn) der Wirbeltiere besteht aus der isthmischen Region dem Tegmentum der dorsal davor liegenden Torus- und Tectumregio
Diese drei Strukturen lassen sich weiter untergliedern.

  • Die Isthmische Region:
    enthält den Nucleus isthmi (bei Säugern als Nucleus parabigeminalis bezeichnet), der bei allen Wirbeltieren reziprok und topografisch (mit einer Punkt-zu-Punkt-Verbindung) mit dem Tectum (Collicului superiores der Säuger) verbunden ist und die Aktivität der beiden Tectum-Hemisphären koordiniert, etwa in Zusammenhang mit der Orientierung von Augen-, Kopf- und Handbewegungen und mit der Tiefenwahrnehmung.

    Das Tegmentum beinhaltet vornehmlich prämotorische Funktionen und enthält folgende Substrukturen:
  • Im ventralen Teil liegen die motorischen Kerne des Nervus oculomotorius (III. Hirnnerv) und des Nervus trochlearis (IV Hirnnerv).
  • Im dorsalen Teil befinden sich der Nucleus des Fasciculus longitudinalis mediales und der dorsale tegmentale Nucleus, die enge Verbindungen mit dem Tectum bzw. dem Colliculus superior besitzen und vestibuläre Funktionen haben, besonders bei der Koordination von Kopfbewegungen.
  • Das Tegmentum enthält auch eine Reihe weiterer Kerne wie den dorsalen und den ventralen tegmentalen Kern und den pedunculopontinen Kern. Sie bilden ein wichtiges Bindeglied zwischen den limbischen Zentren des Zwischen- und des Endhirns, dem periaquäduktalem Grau, der reticulären Formation und den visceralen Gebieten in der Medulla oblongata im Zusammenhang mit der emotionalen und vegetativen Steuerung des Körpers und des Verhaltens.
  • Das Tegmentum enthält die Substantia nigra und die Area tegmentalis ventralis, also das ventrale tegmentale Areal. Beide enthalten dopaminproduzierende Projektionsneuronen. Die VTA projiziert vorwiegend zum ventralen Striatum, genauer zum Nucleus accumbens und ist eng in das limbische System eingebunden. Die Substantia nigra dagegen projiziert zum dorsalen Corpus striatum. Das dopaminerge System steht in Zusammenhang mit dem Belohnungs- und Motivationssystem.
  • Das Tegmentum enthält den Nucleus ruber, der bereits bei den frühesten Wirbeltieren nachweisbar ist. Er besteht beim Menschen aus einem parvocellularen und einem magnocellularen Anteil, erhält Input vom Motorcortex über den den Tractus corticorubralis sowie über den Tractus cerebellorubralis aus dem Kleinhirn. Der Output erreicht das Rückenmark über den Tractus rubrospinalis und über den Tractus rubroolivaris die Oliva inferior.
  • In der dorsalen Torus- und Tectumregion liegt der Torus semicircularis der Wirbeltiere, der dem Colliculus inferior der Säuger entspricht. Er liegt unterhalb des Mittelhirndaches (Tectum mesencephali) und ist eine wichtige Schaltstelle des auditorischen, mechano- und elektrorezeptiven Systems zwischen Medulla oblongata, Kleinhirn und Zwischenhirn. Er zeigt durchweg eine Laminierung bzw. Kernbildung, wobei verschiedene Schichten bzw. Kerne unterschiedliche Sinnesmodalitäten empfangen bzw. verarbeiten. Die von Roth im genannten Werk "Wie einzigartig ist der Mensch" auf Seite 182 in Abbildung 27 dargestellte Laminierung und deren exakte Beschreibung war für den Autor der Schlüssel zum Verständnis der Interaktion von Signalen verschiedener Modalitäten in den sogenannten "Interferenzschichten", die letztlich überhaupt motorische oder intellektuelle Aktivitäten von Wirbeltieren erklären könnte. Das Theorieelement der "Interferenzschichten" oder "Interferenzkerne" kann jedoch nur erklärt und verstanden werden, wenn man den cytoarchitektonischen Aufbau solcher Schicht- oder Kernsysteme erklärt und verstanden hat.
  • Das Tectum mesencephali ist nach Roth bei allen Anamniern, allen Sauropsiden und vielen Säugern das wichtigste somatosensorische, visuelle und auditorische Integrationszentrum des Gehirns. Es weist bei den meisten Wirbeltieren eine laminare Organisation auf, bei der sich Zell- und Faserschichten abwechseln, die unterschiedliche Ein- und Ausgänge haben. Die Anzahl der Schichten variiert in Abhängigkeit von der Bedeutung der verschiedenen Sinnesleistungen für die konkrete Tierart im Kontext ihrer speziellen Lebensweise.
  • Bei den Säugern wird das Tectum mesencephali von der Vierhügelplatte (Corpora quadrigemina) gebildet. Sie besteht aus den vorderen und den hinteren Hügeln (Colliculi superiores und Colliculi inferiores). Die Colliculi superiores entsprechen dem Tectum der übrigen Wirbeltiere und spielen eine wesentliche Rolle bei visuell und auditorisch ausgelösten Blick- und Kopfbewegungen sowie bei gerichteten Hand- und Armbewegungen. Die Colliculi inferiores sind wichtige Zentren des Hörsystems. Das Tetum mesencephali der Säuger ist gegenüber dem der anderen Wirbeltiere relativ klein und wahrscheinlich reduziert, weil der Isocortex entsprechende Aufgaben übernommen hat.


Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan