Gehirntheorie der Wirbeltiere

ISBN 978-3-00-064888-5

Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan

1.2 Die Substrukturen des Metencephalons der Wirbeltiere

Hauptbestandteile des Metencephalons ist das Cerebellum (das Kleinhirn). Manche Autoren zählen den Pons (die Brücke) ebenfalls zum Metencephalon. Ein Großteil der hier dargestellten Fakten sind nichtwörtliche Zitate aus dem Werk "Wie einzigartig ist der Mensch" von Gerhard Roth, [48], Seite 176 bis 180. Sie würden durch eine Umformulierung nicht an Substanz gewinnen.

Das Cerebellum ist ein paariges Organ, nur der Mittelteil selbst ist nur ein Mal vorhanden, wird als Corpus cerebelli (bei den Säugetieren als Vermis "Wurm") bezeichnet und tritt nach Roth nur bei den kieferntragenden Wirbeltieren auf.

Ursprünglich verarbeitete das Kleinhirn lediglich die Informationen aus dem Gleichgewichtssystem und dem mechanosensorischen System und bestand aus dem Vestibulocerebellum und dem Spinocerebellum. Bis zum heutigen Tage konnte der Autor in der Literatur keine vernünftige Erklärung für die Entstehung und vor allem für die Funktionsweise des Vestibulo- und Spinocerebellums finden. Hier ist er gewillt, eine eigene Theorie zu diesem offenen Problem zu präsentieren. Zuvor sind jedoch die grundlegenden Fakten zusammenzutragen.

Ein Großteil der Informationen, die im Vestibulo- und im Spinocerebellum verarbeitet wird, entstammt der Medulla oblongata und wird dem Cerebellum sowohl über die Moosfasern als auch über die Kletterfasern zugeführt. Diese Informationen entstammen

  • dem Trigeminus- und dem Trochlearisnerv
  • dem Vestibular-Kernkomplex (zuständig für das Gleichgewicht)
  • dem Glossopharyneus (Geschmack)
  • der sensomotorischen unteren Olive
  • den primären und sekundären Afferenzen aus dem somatosensorischen System.

 

Der Input erreicht das Cerebellum über zwei voneinander getrennte Signalwege:

  • Moosfasern liefern Input an die Kleinhirnkerne und über die Körnerzellen an die Parallelfasern der Cerebellumrinde, die Parallelfasern stellen die Axone der Körnerzellen dar.
  • Kletterfasern liefern Input an die Kleinhirnkerne und die Cerebellumneuronen, wobei alle Arten von Neuronen und Interneuronen des Cerebellums von den Kletterfasern erreicht werden. Die Kletterfasern sind die Axone der Projektionsneuronen des Nucleus olivaris inferior, der auch als Olivenkern bezeichnet wird.

 

Absteigende Bahnen des Vestibulo- und Spinocerebellums ziehen in der Regel von den Cerebellumkernen, teils aber auch direkt in die laterale Medulla oblongata und erreichen

  • vornehmlich den Vestibular-Kernkomplex
  • steigen aber auch zum Rückenmark ab
  • eine kleine, aber wichtige Projektion zieht zum Gebiet des Oculomotorius im Mittelhirntegmentum
  • reziproke Verbindungen bestehen mit dem Nucleus ruber und sind wichtig für die sensomotorische Integration bei der Körperhaltung, der Bewegungssteuerung des Körpers, der Beutefangsteuerung und den unwillkürlichen (optokinetischen) Augenbewegungen, die beim Kopfdrehen auftreten.

 

Eine cerebellare Neubildung ist das Cerebrocerebellum, auch Neocerebellum oder Pontocerebellum genannt. Nach Roth "nimmt es den größten, seitlichen Teil der Kleinhirnhemisphären ein und ist zur selben Zeit entstanden wie die Großhirnrinde der Säuger. Dieser Teil erhält über die Brückenkerne Informationen aus dem motorischen und dem prämotorischen Cortex und ist für die Feinmotorik und deren "glatten" Ablauf zuständig". Die nach Roth gleichzeitige Entstehung von Cerebrocerebellum und der Großhirnrinde bei den Säugern erfordert die Berücksichtigung dieser Fakten in einer Theorie des Gehirns und des Cerebellums.

Zwischen den Kleinhirnen der verschiedenen Wirbeltierarten gibt es Unterschiede hinsichtlich der Größe in Abhängigkeit vom Stand der Entwicklung der verschiedenen Sinne und dem Einsatz der Gliedmaßen. Der prinzipielle Aufbau des Cerebellums ist jedoch sehr konservativ und sehr einheitlich. Selbst das Cerebrocerebellum der Säuger hat den prinzipiell gleichen Aufbau wie seine zeitlichen Vorgänger.

Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan