Gehirntheorie der Wirbeltiere

ISBN 978-3-00-064888-5

Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan

3.17      Die Topologie von Cortex- und Cerebellumclustern

Für die Analyse der Topologie der Cortex- und Cerebellumcluster gehen wir davon aus, dass sich die Axone der Körnerzellen bereits T-förmig verzweigten und sich parallel zueinander ausrichteten, so dass sie die Ebene der Dendritenbäume der Purkinjezellen im rechten Winkel kreuzten. Dies setzt voraus, dass die Anzahl der Tast- und Schmerzrezeptoren bereits deutlich größer war als die Anzahl der Motoneuronen, wie es am Ende von Kapitel 3.15. bereits angedeutet wurde.

Für die Analyse der Signalprojektion vom Cortex zum Pontocerebellum nutzen wir das Clustermodell. Ein Cluster (sowohl im Cortex als auch im Cerebellum) sei vereinfacht ein quadratischer Ausschnitt der Rinde. Benachbarte Cluster seien untereinander etwa gleichgroß. Eine Clustergruppe bestehe beispielhaft aus 9 Clustern und sei ebenfalls quadratisch. Der Cluster mit der Nummer 5 sei der Innencluster, die übrigen nennen wir Außencluster. Hierbei seien die Cluster 1, 3, 7 und 9 die Eckcluster. Die Richtung, in der die Cluster 4, 5 und 6 angeordnet sind, bezeichnen wir als horizontal, sie sind in einer Reihe angeordnet.

Die Richtung der Cluster 2,5 und 8 nennen wir vertikal, diese Cluster bilden eine Spalte.

In der folgenden Abbildung ist eine Clustergruppe dargestellt, die 9 Cluster sind wie beschrieben nummeriert.

Clustergruppe im Cortex

Abbildung 17- Clustergruppe im Cortex

Wir bezeichnen den Cluster 5 als Innencluster und die übrigen als Außencluster oder Randcluster der Clustergruppe. Jedem Cluster können wir ein Signal zuordnen, so gehört das Signal S5 zum Cluster 5.

Innerhalb eines Cortexclusters seien die Signalneuronen annähernd gleichabständig verteilt. Es sind die cortikalen Outputneuronen der Klasse 5. Das Signal eines solchen Neurons bezeichnen wir als Elementarsignal. Beispielhaft ist nachfolgend ein Cluster mit 25 Outputneuronen dargestellt, die in 5 Reihen zu je 5 Neuronen angeordnet sind. Die reale Anzahl der Clusterneuronen im Cortex ist bei höheren Wirbeltieren sicherlich um ein Vielfaches höher. Hier geht es nur um das Organisationsprinzip der Clustertopologie.

 

Einzelcluster im Cortex - schematische Darstellung

Abbildung 18- Einzelcluster im Cortex - schematische Darstellung

Es wird deutlich, dass ein Clustersignal, etwa S5, sich aus vielen Elementarsignalen zusammensetzt, die man in Spalten und Zeilen anordnen und durchindizieren kann. Gehört zum Cluster 5 in der zweiten Zeile und vierten Spalte der Output O5,2,4, und stellt die Zahl 5 die Anzahl der Zeilen und der Spalten dar, so kann (stark vereinfacht) das Signal S5 als Matrix geschrieben werden:

s5,1,1

s5,1,2

s5,1,3

s5,1,4

s5,1,5

s5,2,1

s5,2,2

s5,2,3

s5,2,4

s5,2,5

s5,3,1

s5,3,2

s5,3,3

s5,3,4

s5,3,5

s5,4,1

s5,4,2

s5,4,3

s5,4,4

s5,4,5

s5,5,1

s5,5,2

s5,5,3

s5,5,4

s5,5,5

 

 

                        =  S5                            (5.4.1)

 

 

 

Hierbei repräsentiert s5,k,l das Elementarsignal in der k-ten Zeile und der l-ten Spalte, welches im Cluster Nummer 5 vom Signalneuron in der k-ten Zeile und der l-ten Spalte geliefert wird.

Wir postulieren eine Signalprojektion der Signalneuronen der Cortexcluster über die Moosfasern in die Körnerzellen der Cerebellumcluster und gehen davon aus, dass diese Signalabbildung topologietreu sei in dem Sinne, dass die Clusternummer dabei erhalten bleibt.

Theorem der Signalprojektion in die Cerebellumcluster

Die Projektion der Cortexsignale über das Moosfasersystem zu den Körnerzellen ist clustertreu.

Aber auch innerhalb eines Clusters kommt es (normalerweise) zu keiner Vermischung der Signale. Die in der Matrix (5.4.1) beschriebene Topologie der Signalneuronen wird vom Cortexcluster in das Cerebellumcluster übernommen, so dass die dortigen Körnerzellen ebenso angeordnet sind. Damit bilden die Körnerzellen des Cerebellums ein Körpermodell der cortikalen Signalneuronen der Klasse 5.

Die Purkinjezellen empfangen den Output der Körnerzellen und damit letztlich die Cortexsignale. Da diese Projektion clustertreu ist, würde ein Cerebellumcluster theoretisch nur den Output des zugehörigen Cortexclusters empfangen können, wenn die Axonverzweigungen der Körnerzellen recht klein und rundlich wären. Der besondere Aufbau der Körnerzellaxone ermöglicht der Purkinjezelle im Mittelcluster jedoch den Signalempfang aus den Cortexclustern 2, 5 und 8. Dies liegt daran, dass die Axone der Körnerzellen sich T-förmig aufgabeln und zueinander parallel ausrichten, so dass in jedem Cerebellumcluster eine Purkinjezellen auch die Signale des darüber und darunter befindlichen Cortexclusters empfangen kann. Die besondere, extrem flache Form des Dendritenbaumes der Purkinjezellen unterstützt diese Möglichkeit, Signale darüber und darunter befindlicher Cortexcluster ebenfalls zu verarbeiten. Ohne einen Nutzen wäre es sicherlich nicht zu dieser Spezifikation gekommen.

Theorem der vertikalen Signalprojektion

Infolge der vertikalen Signalprojektion über die längeren, vertikal ausgerichteten Parallelfasern des Cerebellums gibt es für die Purkinjezelle in einem Cluster des Cerebellums einen Signalempfang aus den vertikal benachbarten Clustern des Cortex. Hierbei gilt:

-         Cerebellumcluster 4 empfängt über Parallelfasern Signale aus den Cortexclustern 1 und 7.

-         Cerebellumcluster 5 empfängt über Parallelfasern Signale aus den Cortexclustern 2 und 8.

-         Cerebellumcluster 6 empfängt über Parallelfasern Signale aus den Cortexclustern 3 und 9.

Man könnte sagen, die mittlere Clusterreihe einer Clustergruppe empfängt über die Parallelfasern auch den Cortexoutput aus der darüber und darunter angeordneten Clusterreihe.

Die Parallelfasern sichern die vertikale Ausbreitung der Clustersignale ab.

Die Übergabe der Erregung von den Parallelfasern an die Purkinjezellen ist durch drei Prinzipien geregelt.

Theorem der inneren Parallelfasererregung der Purkinjezellen

Entstammt der Parallelfaseroutput dem Mittelcluster, so bilden sich bei den Purkinjezellen des Mittelclusters erregende Synapsen zwischen diesen Parallelfasern und den Purkinjezellen. Hierbei ist die Anzahl der Parallelfasern zu einem cortikalen Signalneuron konstant und hat in der Summe eine konstante synaptische Stärke, der wir den Wert 1 zuordnen. Diese Projektion bezeichnen wir als innere Parallelfasererregung.

Die innere Parallelfasererregung sichert die Erregung der Purkinjezellen des Mittelclusters durch die Cortexneuronen des zugeordneten Mittelclusters.

Theorem des Inputs des Nucleus dentatus

Jede Purkinjezelle projiziert in ein erregendes Outputneuron des Nucleus dentatus, dieses Kernneuron empfängt zusätzlich den erregenden Output des cortikalen Clusters, welches bei dieser Purkinjezelle die innere Parallelfasererregung hervorruft, über Kollateralaxone der Moosfasern. Die Purkinjezelle überträgt die Signalverwandschaft mit den Signalen des Mittelclusters auf die angeschlossenen Outputneuronen, und die Wirkungsstärke dieser Signale in der Purkinjezelle und dem Kernneuron des Nucleus dentatus ist gleich groß.

Hinweis: Diese Projektion ist nicht eindeutig, mehrere Purkinjezellen können in gleiche Kernneuronen projizieren. Dies wird später erklärt.

Damit liefern - bezogen auf die Signale des Mittelclusters - die Kernneuronen des Nucleus dentatus kein Outputsignal, denn die Erregung der Purkinjezelle vernichtet durch Hemmung die gleichstarke Erregung der angeschlossenen Kernneuronen.

Hinweis: Alle Kernneuronen eines Mittelclusters erhalten die gleichen Signale über Kollateralen der Moosfasern zugeführt.

An jedes erregende Kernneuron ist auch ein hemmendes Projektionsneuron angeschlossen, welches zurück zum Nucleus olivaris projiziert. Die Aufgabe dieses Neurons wird später erklärt.

Bezogen auf den Output des Pontocerebellums erfolgte etwa auf dieser Entwicklungsstufe eine Wandlung. In der Frühphase des Pontocerebellums stand die Versorgung der Gegenseite mit inversen Mittelwertsignalen im Vordergrund, später wurden zeitliche Veränderungen durch Bildung einer Differenzabbildung berücksichtigt. Mit zunehmender Signalanzahl näherte sich das Mittelwertsignal eines Cortexclusters immer mehr an ein tetanisches Signal an, seine Feuerrate wuchs. Die vom Striosomensystem aufgeprägten Unterbrechungen führten zu ausgetasteten tetanischen Kletterfasersignalen für jeden aktiven Cortexcluster.

Die Entwicklung der Moosfaserprojektion führte dazu, dass ein Outputneuron im Nucleus dentatus nur noch genau dann mit Output antwortete, wenn die zugeordnete Purkinjezelle sowohl Signale aus dem Innencluster und aus den Außenclustern empfing. Dies setzte voraus, dass mehrere Cluster aktiv waren, nur ihre gemeinsame Aktivität führte zum Output im Pontocerebellum. Dies war der erste Schritt auf dem Weg zur Erkennung von Komplexsignalen.

Theorem des Outputs des Nucleus dentatus

Ohne Einwirkung von Signalen aus den Außenclustern einer Clustergruppe liefern die an eine Purkinjezelle angeschlossenen Kernneuronen des Nucleus dentatus keinerlei Outputsignal, weil die Purkinjezelle und ihr Kernneuronen gleichstark erregt sind, die Purkinjezelle jedoch hemmend auf das Kernneuron wirkt und dessen Erregung eliminiert.

Dieser Nullsignaloutput ist besonders in der Anfangsphase des Pontocerebellums bedeutsam, da er wirkungsneutral ist. Er führt zwar zum Ressourcenverbrauch, der zunächst keinen Nutzen bringt, ist aber ergebnisneutral und vor allem nicht schädlich. Im Verlaufe der Evolution konnte diese Neutralität sogar in einen Nutzen umgewandelt werden. Dies hängt mit der im Nervensystem der Wirbeltiere üblichen lateralen Nachbarhemmung zusammen.

Erwähnt werden sollte hier, dass die Purkinjezellen zur Gruppenbildung neigten, so dass alle Gruppenmitglieder in ein und dasselbe erregende Outputneuron projizierten. Die Gruppenbildung ist eine Art Ausfallversicherung, sie wird von den Golgizellen verursacht und wird später erklärt werden.

Die cortikalen Mittelwertneuronen der Klasse 6 besaßen ebenfalls eine laterale Hemmung zur Kontrastverstärkung, die von hemmenden Interneuronen bewirkt wurde. Diese laterale Hemmung wurde vom Cortexcluster in das Cerebellumcluster übernommen. Im Cortex hemmte jeder Cluster alle Cluster der Umgebung. Man könnte umgekehrt auch sagen, jeder Cluster empfing hemmende Erregung aus den Nachbarclustern.

Auf das Cerebellum übertragen bedeutet dies, dass jede Purkinjezelle in einem Cluster von den Signalen aus den Nachbarclustern gehemmt wurde. Die Hemmungsneuronen waren GABAerge Interneuronen. Als die Dendritenbäume im Verlaufe der Evolution immer größer wurden, aber nur in eine Richtung wuchsen, also ganz platt waren, und die Axone der Körnerzellen ebenfalls nur in eine - dazu rechtwinklige - Richtung wuchsen, teilten sich die hemmenden Interneuronen zwangsläufig in zwei verschiedene Klassen auf, die heute als Sternzellen und Korbzellen bezeichnet werden. Die Richtung der Parallelfaseraxone bezeichnen wir hier als vertikale Richtung, die Wachstumsrichtung der Dendritenbäume der Purkinjezellen als horizontale Richtung. Für die vertikale Richtung übernahmen die Sternzellen die Nachbarhemmung, für die horizontale die Korbzellen. Dies wird nachfolgend näher erläutert.

Wir betrachten nachfolgend den Erregungszustrom zu einer Purkinjezelle, die sich im Mittelcluster befindet, und beziehen uns ausschließlich auf Signale aus den Außenclustern.

Die Erregung einer Parallelfaser im cerebellaren Mittelcluster kann auch aus dem vertikal darüber und darunter befindlichen Cortexcluster kommen. Der Cortexcluster 2 projiziert in die Körnerzellen von Cerebellumcluster 2, dessen vertikal ausgerichteten Parallelfasern erreichen jedoch den Mittelcluster 5. Ebenso erreicht die Erregung des Cortexclusters 8 den cerebellaren Mittelcluster 5. Wir bezeichnen diese Projektion als vertikale Projektion.

Theorem der vertikalen Sternzellenhemmung der Purkinjezellen

Die Parallelfasern der vertikalen Projektion transportieren den Cortexoutput der vertikal benachbarten Cortexcluster in ein Cerebellumcluster. Diese Signale sind clusterfremd. Die Purkinjezellen haben mit den clusterfremden Parallelfasern keinen direkten synaptischen kontakt, sondern nur über Sternzellen. Die clusterfremden Signale der vertikalen Projektion erregen die Sternzellen, die ihrerseits mit den Purkinjezellen hemmend verbunden sind.

Die Cortexcluster 2 und 8 projizieren über die vertikale Projektion erregend in die Sternzellen des Cerebellumclusters 5, diese Sternzellen hemmen die dortigen Purkinjezellen. Analoges gilt für die Projektion der Cortexcluster 1 und 7 in das Cerebellumcluster 4 sowie für die Projektion der Cortexcluster 3 und 9 in das Cerebellumcluster 6.

Die vertikale Sternzellenhemmung entspricht der lateralen Hemmung im Nervensystem. Benachbarte Cluster hemmen einander. Hier sind die Sternzellen jedoch nur an der vertikalen Hemmung beteiligt. Auf die horizontale Hemmung haben sich im Cerebellum die Korbzellen spezialisiert. Es gibt im Cerebellum eine horizontale Signalausbreitung über die Korbzellen.

Theorem der horizontalen Korbzellhemmung der Purkinjezellen

Clusterfremde Signale aus den linken und rechten Randclustern (1,4,7 bzw. 3,6,9) erreichen die Purkinjezellen indirekt über Korbzellen, die diese Signale von den Parallelfasern der Randcluster übernehmen, von ihnen erregt werden und über lange, horizontale Axone die Purkinjezellen des Mittelclusters erreichen, um dortige Purkinjezellen synaptisch zu kontaktieren und zu hemmen.

Hierbei ist zu beachten, dass die Randcluster 4 und 6 auch von Parallelfasern der Cluster 1,7,3 und 9 erreicht werden, weil die Parallelfasern vertikal ausgerichtet sind und eine beträchtliche Länge haben. Daher erreicht die Erregung aller Randcluster die in den Clustern 4 und 6 vorhandenen Korbzellen, die ihrerseits wieder alle Purkinjezellen des Mittelclusters erreichen.

Die horizontale Korbzellenhemmung entspricht der lateralen Hemmung im Nervensystem. Sie wirkt bei den Korbzellen jedoch nur in horizontaler Richtung.

Eine Besonderheit der Korbzellenhemmung besteht darin, dass jede Korbzelle ein derart langes, horizontal verlaufendes Axon ausbildet, dass damit alle Purkinjezellen einer horizontalen Clusterreihe erreicht werden, bei jeder von ihnen bildet das Axon Kollateralen, die den Zellkörper der Purkinjezelle korbartig umspinnen. In unserem frühen Modell des Cerebellums besitzt ein Cerebellumcluster zunächst nur eine einzige Purkinjezelle. Dies sollte sich später ändern. Vorgreifend gehen wir also auch davon aus, dass es in einem Cerebellumcluster auch mehrere Purkinjezellen geben kann.

Insgesamt lässt sich also sagen: Parallelfasern mit Signalen aus dem gleichen Cortexcluster erregen die Purkinjezellen. Parallelfasern aus Fremdclustern erregen die Korb- und Sternzellen, wobei die Korbzellen für vertikal benachbarte und die die Sternzellen für horizontal benachbarte Cluster zuständig sind, beide jedoch über Parallelfasern auch Signale aus darüber und darunter liegenden Clustern beziehen. Die Stern- und Korbzellen ihrerseits hemmen die Purkinjezellen.

Purkinjezellen werden also von Signalen aus dem gleichen Cortexcluster erregt, jedoch von Signalen aus Fremdclustern gehemmt. Dies entspricht der bekannten lateralen Hemmung, Fremdsignale hemmen den Output, hier hemmen die Außencluster den Innencluster.

Nun prüfen wir, welche Folgen die laterale Nachbarhemmung der Cerebellumcluster durch die Nachbarcluster hervorruft. Zunächst erinnern wir uns an das Theorem des Outputs des Nucleus dentatus. Ohne die Einwirkung von Signalen aus den Außenclustern sind die Outputneuronen des Nucleus dentatus unerregt, also neuronal völlig inaktiv. Zwar wird die Purkinjezelle von den Signalen des Innenclusters erregt, ebenso und gleichstark auch das glutamaterge Kernneuron im Nucleus dentatus, aber die Purkinjezelle hemmt dieses Kernneuron. Da beide gleichstark erregt sich, heben sich Erregung und Hemmung auf. Der Output ist das Nullsignal.

Wenn nun jedoch Signale aus den Außenclustern einwirken, so wird die Purkinjezelle von diesen Signalen unter Zwischenschaltung der Stern- und Korbzellen zusätzlich gehemmt. Diese Hemmung nimmt mit wachsender Signalstärke dieser Signale zu. Dadurch reicht die verbleibende Erregung der Purkinjezelle nicht mehr aus, um das Kernneuron komplett zu hemmen. Es bleibt eine Resterregung zurück, die mit der Signalstärke der Außensignale zunimmt. Dies trifft jedoch nur zu, wenn die Outputneuronen durch Signale aus dem Innencluster erregt sind, ansonsten gibt es keinen Output.

Theorem der Wirkung der Signale der Außencluster auf den Output des Nucleus dentatus

Mit zunehmender Signalstärke von Signalen aus den Außenclustern werden die Neuronen des Nucleus dentatus im zugeordneten Innencluster ein Outputsignal erzeugen, welches mit dieser Signalstärke zunimmt, vorausgesetzt, das Innencluster produziert ebenfalls Signale.

Falls das Innencluster keine Signale erzeugt, ist der Output der Kernneuronen auch beim Vorliegen von Signalen aus den Außenclustern das Nullsignal.

Dies ist mathematisch eine logische und - Verknüpfung:

-         Dann, und nur dann, wenn aktive Signale aus dem Mittelcluster 5 vorliegen und zusätzlich wenigstens ein Außencluster aktive Signale aufweist, liefert das zugehörige Outputneuron des Nucleus dentatus, das mit der signalempfangenden Purkinjezelle synaptisch verknüpft sind, ein (nichttriviales) Outputsignal.

Damit ist die Schaltung befähigt, auf Signalkombinationen zu reagieren. Diese Signalkombinationen aus unterschiedlichen, benachbarten Cortexclustern werden in der Neurologie gewöhnlicher Weise als Komplexsignale bezeichnet.

Zunächst erzeugt ein Dentatusneuron einen Output, wenn irgendein beliebiges, stärkeres Signal aus dem Innencluster und gleichzeitig irgendein beliebiges Signal aus wenigstens einem Außencluster bei der zugehörigen Purkinjezelle eintrifft. Durch die Wirkung der Langzeitdepression (LTD) und der Langzeitpotenzierung (LTP) sollte es hier zu einer bedeutenden Weiterentwicklung kommen, die den Wirbeltieren eine Lernfähigkeit bescherte.

Nach dieser ausführlichen Herleitung der Antwortreaktionen der Purkinjezellen und der cerebellaren Outputneuronen können wir eine wesentlich kürzere Herleitung der gleichen Ergebnisse anbieten, die auf logischen Überlegungen beruht und das allgegenwärtige Prinzip der lateralen Hemmung anwendet.

 

Wir analysieren dazu die Arten der Signalverwandschaft zwischen den verschiedenen Cerebellumneuronen. Sie untermauern die vorangegangenen Erkenntnisse.

Das Signal des Mittelwertneurons eines Cortexclusters wird auf seinem Weg über die Striosomen, den Nucleus ruber und den Nucleus olivaris vom Kletterfaseraxon divergent auf alle Purkinjezellen des zugehörigen Cerebellumclusters übertragen. Die Purkinjezellen übernehmen daher ihre Signalverwandschaft vom Mittelwertneuron des Cortexclusters und stellen insofern Abkömmlinge des Mittelwertneurons dar.

Die Signale der Signalneuronen eines Cortexclusters treffen als Körnerzellsignale im Cerebellumcluster ein, daher sind die Körnerzellen des Cerebellumclusters signalverwandt mit den Signalneuronen des Cortexclusters. Insofern sind sie Abkömmlinge der Signalneuronen des Cortexclusters.

Da die Signalneuronen des Clusters positiv signalverwandt sind mit dem Mittelwertneuron des gleichen Clusters, wirken sie erregend auf das Mittelwertneuron. Diese Eigenschaft überträgt sich auf die Abkömmlinge.

Daher wirken die Körnerzellen eines Cerebellumclusters erregend auf alle Purkinjezellen des gleichen Clusters.

Entstammt also das Parallelfasersignal dem gleichen Cortexcluster wie das Kletterfasersignal, welches vom Mittelwertneuron des gleichen Cortexclusters abgeleitet wurde, so bilden sich erregende Synapsen zwischen diesen Parallelfasern und den Purkinjezellen.

Theorem der Erregungsherkunft der Purkinjezellen

Signale aus dem gleichen Cortexcluster wie das Kletterfasersignal wirken auf Purkinjezellen erregend.

Analoge Überlegungen können wir nun anstellen zur Thematik der konkurrierenden Signalverwandschaft. Sie münden in nachfolgendem Ergebnis.

Theorem der Hemmungsherkunft der Purkinjezellen

Purkinjezellen, deren Kletterfasersignal vom Mittelwertneuron eines Cortexclusters stammt, werden von Signalen aus den Nachbarclustern gehemmt. Die Hemmung erfolgt durch Interneuronen, die von diesen Signalen über Parallelfasern erregt werden. Nachbarcluster, die in vertikaler Richtung liegen, wirken hemmend über Sternzellen, die übrigen über Korbzellen auf diese Purkinjezellen.

Damit übernehmen die Korb- und Sternzellen die laterale Hemmung, die an sie über die konkurrierende Signalverwandschaft weitergegeben wird.

Mit der Entwicklung der Langzeitdepression und der Langzeitpotenzierung wurde die Antwortreaktion des Pontocerebellums spezifiziert. Dies wird im folgenden Kapitel beschrieben.



Monografie
von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan