Gehirntheorie der Wirbeltiere

ISBN 978-3-00-064888-5

Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan

2.4  Die Manteltiere - Vorfahren der Wirbeltiere

Eine spezielle Form der Lebewesen der Replikationsstufe 2 ist die Kugelform, bei der die Zellen zunächst eine Kugel, später eine Hohlkugel bilden, die flüssigkeitsgefüllt ist und einer Blastula gleicht. Diese Form tritt bei allen Wirbeltieren am Anfang ihrer Embryonalentwicklung auf. So wird in der Individualentwicklung quasi die Evolution im Kleinen wiederholt. Die befruchtete Eizelle entspricht dem Stadium, in dem das Lebewesen aus einer einzigen Zelle besteht. Diese Zelle beginnt sich zu teilen, wobei die entstehenden Tochterzellen sich - wie bei einer Kolonie - nicht voneinander trennen, sondern einen kugelförmigen Zellhaufen bilden. Danach setzt - wie bei der Entwicklung der Kolonie zum Mehrzeller - bei den Zellen eine Differenzierung und Arbeitsteilung ein.
 
Den weiteren Werdegang im Verlaufe der Evolution hin zu höheren Tieren kann man sich gut vorstellen, auch hier liefert die Embryologie eine Vorstellung davon, wie der weitere Werdegang der mehrzelligen Lebewesen bis hin zu den Wirbeltieren erfolgt sein könnte.
 
Wir beginnen unsere Überlegungen bei einem Mehrzeller, der in seiner einfachsten Form aus Zellen besteht, die eine kugelförmig angeordnete einzellige Schicht bilden. Dies entspricht dem Aussehen eines Blasenkeims, Blastula genannt, und entsteht direkt aus einer befruchteten Eizelle. Das Innere der Zellkugel ist mit Flüssigkeit gefüllt. Nach außen und nach innen wird das Zellgebilde durch die zugehörigen Zellmembranen abgegrenzt.
 
Wenn sich eine solche Zellen-Hohlkugel aus einer einzelligen Schicht auf einer Hälfte einbuchtet, etwa so wie ein Fußball, aus dem die Luft komplett entwichen ist, so entsteht ein halbkugelförmiges Gebilde, welches aus zwei Zellschichten besteht, zwischen denen sich wiederum ein restlicher Hohlraum befindet. Man könnte sie als elementarste Hohltiere bezeichnen. Aus diesem Gebilde könnten die einfachsten Manteltiere hervorgegangen sein. Das Einstülpen der Blastula bezeichnet man als Invagination, das Ergebnis des Einstülpens nennt man Gastrula. Den Übergang von der Blastula zur Gastrula bezeichnet man als Gastrulation.
 
Die zwei Schichten, aus denen die Gastrula besteht, bezeichnet man als Keimblätter. Die bisherige Außenschicht nennt man Ektoderm, die Innenschicht Entoderm. Einen solchen Aufbau kann man sich bei frühesten tierischen Lebensformen durchaus vorstellen. Im Verlaufe der Evolution bildeten sich zwischen dem Ektoderm und dem Entoderm weitere Zellen, die das Mesoderm bildeten, welches als drittes Keimblatt bezeichnet wird.
 
Parallel zur Spezialisierung der vorhandenen Zellen auf verschiedene Aufgaben erfolgte eine Organbildung. Zellen mit gleicher Aufgabe konzentrierten sich räumlich zu Organen.
 
So entstanden unter anderem die Manteltiere (Tunicata), von denen sich nach vorherrschender Meinung die Wirbeltiere ableiten. Bei der sexuellen Fortpflanzung der Manteltiere entstehen aus den befruchteten Eiern Larven, die unter anderem über eine Chorda und ein Neuralrohr verfügen. Daher zählen die Tunicata zu den Chordaten, zu denen auch die Wirbeltiere zählen.
 
Hubert Fechner schreibt dazu in [121] auf Seite 9:
 
"Bei den Manteltieren begegnen wir einem Bauplantyp, der, nach einigen konstruktiven Verbesserungen und Funktionswandlungen einzelner Bauelemente, unter den Wirbeltieren seine höchsten Ausbildungsstufen erreicht.
Die diesen Bauplan kennzeichnenden, wesentlichen Bauelemente sind:
1.     Ein dorsal vom Darm liegender, sich in der Körperlängsachse erstreckender, elastischer Achsenstab - die Chorda - der dem Fortbewegungsapparat als Stütze und Widerlager dient.
2.     Ein erweiterter Vorderdarm, dessen Seitenwände von mehreren Spalten durchbrochen sind, durch die Wasser aus dem Darm nach außen befördert wird - eine Bildung, die man als Kiemendarm bezeichnet.
3.     Ein dorsal von der Chorda liegendes Neuralrohr."  (Zitatende)
 
In [121] auf Seite 10 heißt es über die Manteltiere (Tunicata) weiter:
 
"Namensgebend ist die Fähigkeit der Epidermis, eine mehr oder weniger mächtige, vielfach komplizierte Strukturen entfaltende Cuticula - den Mantel (Tunica) abzuscheiden."
 
In [120] auf Seite 838 wird der Mantel genauer beschrieben:
 
"Einzigartig im Tierreich ist, dass dieser vorwiegend von der Epidermis gebildete Mantel neben Wasser und Proteinen besonders Zellulosefasern ("Tunicin") enthält."
 
Hier wird also von Tieren Zellulose gebildet, die sonst vorwiegend im Pflanzenreich vorkommt. Nach der Endosymbiontentheorie stellt man sich vor, dass eine eukaryotische Zelle ein Cyanobakterium aufnimmt, ohne es zu komplett verdauen. Aus diesem wird der Chloroplast und verleiht dem so entstehenden, neuen Lebewesen die Fähigkeit zur Photosynthese. Daraus könnten die höheren (mehrzelligen) Pflanzen hervorgegangen sein.
 
Falls es einigen zelluloseproduzierenden Manteltieren in der Frühzeit gelungen sein sollte, derartige Cyanobakterien in ihren Körper zu integrieren und als Chloroplasten zu nutzen, könnten aus ihnen (unter anderem) auch Pflanzen entstanden sein.Andererseits könnte es auch umgekehrt gewesen sein. Einige Vorfahren der Tunicata könnten bereits sessile Pflanzen gewesen sein, die die Fähigkeit zur Photosynthese verloren, während die Zellulosebildung beibehalten wurde.


Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan