Teil 2.5. Die evolutionstheoretische  Bedeutung der cholinergen Projektion der Matrix des Striatums auf die Striosomen

Bereits mehrfach wurde erwähnt, dass die Matrix des Striatums mit Hilfe des Transmitters Acetylcholin erregend auf die Neuronen der Striosomen projiziert. Die Projektionswege sind relativ simpel. Die dopaminergen Neuronen der Nigrosomen aus der Substantia nigra projizieren erregend in die striatalen Striosomen. Die dopaminergen Neuronen der nigralen Matrix dagegen projizieren vermittels des Transmitters Dopamin in die Matrix des Striatums. In dieser befinden sich einerseits die GABAergen Hauptneuronen mit ihren D2-Rezeptoren, wodurch das Dopamin auf diese Matrixneuronen hemmend wirkt.

Aber in der Matrix befinden sich – in großer Zahl – auch acetylcholinerge Interneuronen, die offenbar vom den dopaminergen Axonen aus der nigralen Matrix erregt werden. Schließlich ist der dopaminerge Input der einzige Input, den sie empfangen. Von einem Anzapfen des glutamatergen Cortexoutputs – der durch dieses Gebiet hindurchzieht – wird in der Literatur nicht berichtet. Die dopaminergen Axone der nigralen Matrix, die in der striatalen Matrix enden, projizieren vermittels des Transmitters Acetylcholin erregend auf die in der Nähe befindlichen cholinergen Interneuronen, die ihrerseits direkt und erregend in die Striosomenneuronen projizieren. Infolge dieser cytoarchitektonischen Struktur ist die Matrix reich an Acetylcholin, während dieser Transmitter in den Striosomen der Matrix nur sehr wenig vorkommt.

Eine systemtheoretische Erklärung dieser Projektion könnte ein Prüfstein für die prinzipielle Richtigkeit der vom Autor dieser Monografie entworfenen Theorie des Gehirns sein. Nach vielen erfolglosen Versuchen scheint sich eine Erklärung des Autors durchzusetzen, die vom evolutionären Standpunkt aus argumentiert.

Es ist bekannt, dass die außen liegenden Schichten des Gehirns die evolutionär jüngeren sind. So ist  also das Großhirn, genauer gesagt die Großhirnrinde, später entstanden als der innere Teil. Daher sollte man sich vorstellen können, dass es einst einen Gehirnzustand gab, bei dem noch gar keine Großhirnrinde vorhanden war. Lediglich die inneren, tieferen Kerne des Großhirns mögen damals auch schon vorhanden gewesen sein.

Und selbstverständlich gab es auch das Kleinhirn. Es funktionierte wahrscheinlich genauso wie heute, denn es ist aus evolutionärer Sicht ein uraltes System mit sehr konservativer Funktionsweise. Dies ist daran zu erkennen, dass sich die Kleinhirne niederer Lebewesen von denen der höheren kaum unterscheiden, wenn man die Cytoarchitektonik vergleicht. Wenn es aber vor Urzeiten ein Kleinhirn gab, welches etwa so funktionierte wie heute, dann gab es auch das Kletterfasersystem. Denn das Kleinhirn lernt nur vermittels der Kletterfasern. Diese sind ein funktionsbestimmendes Element des Systems.

Insofern muss bereits vor Urzeiten – als es noch kein Großhirn gab – ein Verfahren vorhanden gewesen sein, welches die Erzeugung der nötigen Kletterfasersignale sicherstellte. Einige Lebewesen mit fehlender oder nur sehr spärlicher Großhirnrinde haben es geschafft, sich in die Gegenwart hinüberzuretten, sind also nicht ausgestorben. Ihr Kleinhirn benutzt ein Kletterfasersystem. Dieses System könnte die Kletterfasern nach dem gleichen Prinzip wie beim heutigen Kleinhirn erzeugt haben: durch Mittelwertbildung aus dem bereits vorhandenem Input. Nötig sind also große, mittelwertbildende Neuronen, die von den übrigen Neuronen quasi integrativ erregt werden. Auf Grund der Dämpfung der Erregung bei ihrer räumlichen Ausbreitung innerhalb der Interferenzgebiete entstehen rezeptive Felder. Jeweils ein großes mittelwertbildendes Neuron ist also von einem kugelförmigen rezeptiven Feld umgeben, dessen Neuronen dieses Mittelwertneuron erregen. Es ist nur noch zu entscheiden, welcher Transmitter verwendet werden möge und welches Neuron welche Aufgabe übernimmt, wenn es keine Großhirnrinde geben soll.

Der Autor dieser Monografie behauptet, dass der erregende Transmitter das Acetylcholin sei. Die Kletterfasersignale wurden also in der Urzeit innerhalb des Striatums gebildet. Dort entstanden die großen Mittelwertneuronen, welche den erregenden Input der erreichbaren Neuronen integrativ einsammelten. Dieser Input stammte aus der Matrix der Substantia nigra. Er erreichte als dopaminerger Input die Matrix und erregte die zahlreich vorhandenen Interneuronen, deren Erregung mit Hilfe des Transmitters Acetylcholin auf die Striosomenneuronen übertragen wurden. Die Striosomenneuronen bildeten also Signalmittelwerte aus dem Input, der ihnen über die cholinergen Interneuronen aus der nigralen Matrix zuströmte. Dieses Mittelwertsignal benötigte keine Cortexrinde, und auf dieser Stufe der evolutionären Entwicklung gab es ja diese noch gar nicht. Dennoch gab es letztlich die großen, mittelwertbildenden Striosomenneuronen, aus denen das übrige basale System die Kletterfasern ableitete.

Und genau wie im Cortex gab es Cluster im Striatum. Ein Cortexcluster besteht aus einem Mittelwertneuron und den dieses Neuron umgebenden Signalneuronen der Cortexschicht. Analog ist es im Striatum. Das Zentrum eines Striatumclusters ist das gabaerge Mittelwertneuron. Um dieses herum sind quasi in einer Kugel die cholinergen Interneuronen angeordnet und erregen dieses Mittelwertneuron mit Hilfe des Transmitters Acetylcholin. Die Erregung eines solchen striatalen Mittelwertneurons ist natürlich nur dann hinreichend stark, wenn die mittelwertliefernden Interneuronen hinreichend aktiv sind. Daher ist dieses striatale Mittelwertneuron ebenfalls – wie sein cortikales Pendant – ein Aktivitätsneuron. Es teils dem Gehirnsystem mit, wo es neuronale Aktivitäten gibt. Und wenn es diese gibt, wird das zugehörige und starke Mittelwertsignal in ein Kletterfasersignal umgewandelt. Dazu ist nun keine Großhirnrinde vonnöten.

Die Erregung des gabaergen striosomalen Mittelwertneurons wird dem Globus pallidus interna zugeführt. Der im System aufsteigende Input – der in der Matrix endet, weil es noch kein Großhirn gibt – wird wie üblich im Nucleus subthalamicus integrativ zu einem (oder mehreren) Einssignalen zusammengeführt. Dieses Einssignal erregt den Globus pallidus interna dauerhaft. Da aber gleichzeitig der gabaerge Input aus dem striosomalen Mittelwertneuron eintrifft, wird der gebildete Mittelwert am Einssignal negiert. Dieses einmal negierte Mittelwertsignal erreicht als gabaerger Input den auch damals vorhandenen Nucleus ruber. Von letzterem wissen wir, dass er ebenfalls ein evolutionär uraltes Kernsystem ist. Er erhielt schon immer die absteigenden Signale aus dem Gehirn. In diesem Falle sind es jedoch nicht die absteigenden Signale der Cortexrinde, denn die gab es vor Urzeiten noch nicht. Vielmehr wurden die absteigenden Signale im Striatum gebildet und gelangten von dort über absteigende Projektionen unter anderem in den Nucleus ruber, um von dort weiter in Richtung Rückenmark zu ziehen.

Weiterhin erhielt der Nucleus ruber schon immer die erregenden, aufsteigenden Signale aus der Formatio reticularis.

Daher konnte der Nucleus ruber diese aufsteigenden Signale nutzen, um aus ihnen mit großen Mittelwertneuronen ein eigenes, internes Einssignal zu bilden. Der dafür nötige magnocellulare Teil des Nucleus ruber ist evolutionär uralt und schon bei Vögeln vorhanden, wie einer Dissertation unter der Betreuung von Prof. Karl Zilles über Hühnervögel zu entnehmen ist.

Das dem Nucleus ruber zugeführte, bereits ein Mal im Globus pallidus interna negierte Mittelwertsignal des Striosomensystems wird nun am Einssignal des Nucleus ruber zum zweiten Mal negiert. Die doppelte Negation führt beim striosomalen Mittelwertsignal zu einer Frequenzanhebung und zu einer deutlichen Zeitverzögerung.

Letztlich wird das doppelt negierte, frequenztransformierte und zeitverzögerte Mittelwertsignal der Olive zugeführt, die es als Kletterfasersignal zu den Purkinjezellen des zugehörigen Cerebellumclusters sendet. Dort führt dieses Kletterfasersignal zur Abspeicherung neuer Komplexsignale. Diese entstammen jedoch nicht der Großhirnrinde, sondern dem Striatum.

Die bereits damals vorhandene Kompartimentierung ist klar erkennbar. Cluster im Striatum bestehen aus Matrixgebieten, in die die mittelwertbildenden Striosomenneuronen eingebettet sind. Die Kompartimentierung setzt sich zum Cerebellum fort und ist auch im Nucleus ruber vorhanden. Eine gabaerge Projektion der Kleinhirnkerne zur Olive hemmt das Kletterfaser-signal für den Fall, dass das aktuelle Signal bereits ein Eigensignal einer Purkinjezelle ist. Der Output der Kleinhirnkerne erreicht – über den Thalamus - das Striatum – erst später zieht er weiter in Richtung der neu entstehenden Großhirnrinde.

Somit passt die acetylcholinerge Projektion der Matrix des Striatums auf die Striosomen des Striatums recht gut in das evolutionäre Entwicklungsschema des Autors. Mögen andere urteilen, ob sich in Urzeiten alles so oder ähnlich zugetragen hat.

Hingewiesen sei hier auf einen wichtigen Aspekt: Das magnocellulare Matrixsystem mit dem striosomalen Mittelwertneuron war das evolutionär älteste Kletterfasersystem der Welt. In diesem System gab es noch keine direkte Projektion der Matrixneuronen in das Cerebellum. Lediglich die Striosomenneuronen hatten über den Globus pallidus interna und den Nucleus ruber Zugriff auf die Kletterfasern und führten zur Speicherung der statistisch bedeutsamen Komplexsignale in den Purkinjezellen.

Ein Kurzzeitgedächtnis gab es in diesem rudimentären Basalgangliensystem nicht. Dieses entstand erst, als auch die Neuronen der Matrix den Weg ins Kletterfasersystem des Cerebellums fanden. Die dazu nötige anfangs doppelte, später vierfache Negation und die Laufzeitverzögerung durch die relativ weiten Wege führten zur Zeitverzögerung und damit zur Entstehung des Kurzzeitgedächtnisses.

An dieser Stelle sei auf einen wichtigen Unterschied zwischen dem uralten Striatum und der späteren Großhirnrinde hingewiesen. Die Großhirnrinde benutzt den erregenden Transmitter Glutamat. Das Striatum jedoch benutzt den hemmenden Transmitter GABA.

Dies bedeutet, dass die absteigenden Bahnen aus dem Striatum GABAerg, also hemmend waren. Eine direkte und erregende Ansteuerung von Muskeln war damit nicht möglich. Schließlich können GABAerge Signale nur hemmend wirken. Über eine reine Hemmung lässt keine aktive Muskelbewegung auslösen. Daher muss es bereits zu dieser Zeit eine Umschaltung des hemmenden Striatumoutputs auf erregende Transmitter gegeben haben. Diese Umschaltung konnte nur im Nucleus ruber erfolgen.

Die einzige Möglichkeit, aus einem hemmenden Signal ein erregendes zu erzeugen, besteht in der Negation an einem Einssignal. Damit aber das Negationsresultat nicht die umgekehrte Wirkung erzielte, musste diese Negation zwei Mal durchgeführt werden. Bei der ersten Negation wurde der hemmende, striatale Output der Matrixneuronen zunächst im Globus pallidus externa negiert. Dieser entstand als Ableger (Kopie) des Globus pallidus interna. Hierzu wurde das Einssignal aus dem Nucleus subthalamicus benötigt. Das entstehende Outputsignal war GABAerg, also hemmend. Durch nochmalige Negation dieses Signals wurde die gewünschte Umschaltung auf einen erregenden Transmitter, das Glutamat, realisiert. Diese Negation erfolgte im Nucleus ruber. Dieser bildete sein zur Negation nötiges Einssignal selbst aus dem erregenden, aufsteigenden Input der Formatio reticularis. Die zweite Negation erfolgte also damals in Nucleus ruber, sonst hätte nicht das Ursprungssignal, sondern seine Negation das System verlassen und das Gegenteil von dem angerichtet, was eigentlich geplant war.

Wenn nun der Output des Nucleus ruber einen Weg zum Cerebellum gefunden hätte, der über die Kletterfasern verlief, wäre das erste Kurzzeitgedächtnis des Cerebellums entstanden.

Also gab es bereits in Urzeiten – als die Cortexrinde noch eine ferne Vision war – eine Matrix im Striatum, die hemmend auf den Globus pallidus externa projizierte, von wo der Output zum Nucleus ruber zog und letztlich die absteigenden Bahnen bildete, nunmehr aber als erregendes Signal.

Später, als über dem Striatum die Großhirnrinde entstand, gab es anstelle des bisherigen GABAergen Striatumoutputs aus dem Matrixcluster den erregenden, glutamatergen Output aus dem Cortexcluster. Daher wurden, um das bisherige System weiterzuverwenden, zwei weitere Negationen benötigt. Die erste erfolgte im Striatum, welches anstelle von Mittelwertsignalen nunmehr Einssignale bildete. Dazu brauchten lediglich die Einzugsgebiete der bereits recht großen dendritischen Felder nochmals kräftig vergrößert zu werden. Daher entstanden nun keine Mittelwertsignale, sondern die benötigten Einssignale. An diesen hemmenden Einssignalen wurde der hemmende Input der Substantia nigra pars compacta vom Subtyp D2 negiert. Die zweite neu hinzukommende Negation erfolgte der Substantia nigra pars reticulata, die sich offenbar vom Globus pallidus externa abspaltete. Daher nutzen heutige Gehirne der höheren Säugetiere offenbar die vierfache Negation im Basalgangliensystem. Diese wurde nötig mit der Entstehung des parvocellularen Systems der sich entwickelnden Großhirnrinde. Diese Entwicklung ging Hand in Hand mit der Einbindung des limbischen Systems und speziell des dopaminergen Systems der sich entwickelnden Substantia nigra und des Systems aus Amygdala und Hippocampus. Dieses dopaminerge System führte zur Entwicklung des Langzeitgedächtnisses, wie hoffentlich in einer späteren Monografie gezeigt werden wird.

Diese Betrachtung lehrt, dass das Gehirn als solches bereits voll funktionsfähig war, als die Großhirnrinde noch nicht existierte. Zu dieser Zeit funktionierte das Kleinhirn bereits als prägungsfähiges System mit magnocellularen Kletterfasern. Auch der Systemtakt des striosomalen Systems war bereits vorhanden, denn die grundlegenden Schaltungselemente existierten bereits.

Das parvocellulare System kam erst viel später im Verlaufe der Evolution hinzu. Es ist also theoretisch denkbar, dass auch höhere Intelligenz ohne Großhirnrinde hervorgebracht werden konnte. Angesichts dieser These könnte die Hirnleistung bereits zu Urzeiten ausgestorbener Lebewesen neu überdacht werden.

Wir fassen unsere Erkenntnis in einem neuen Theorem zusammen:

Theorem 2.11: Erstes magnocellulares Kletterfasersystem des Striatum-Gehirns

Vor der Ausbildung der Großhirnrinde bildete das Striatum die äußere Begrenzung des Gehirns. Die acetylcholinergen Interneuronen der striatalen Matrix, die ihren Input von der Matrix der Substantia nigra erhielten, wirkten erregend auf die GABAergen Striosomenneuronen des Striatums. Diese bildeten aus diesem Input einen Signalmittelwert, der die neuronale Aktivität im zugehörigen Matrixcluster repräsentierte. Nach der ersten Negation dieses Mittelwertsignals im Globus pallidus interna und der zweiten Negation in Nucleus ruber gelangte dieser Signalmittelwert über den Nucleus olivaris zu den Kletterfasern des Cerebellums. Voraussetzung war eine hinreichende Stärke des Mittelwertsignals, damit das entstehende Kletterfasersignal die Purkinjezellen prägen konnte.

Der striatale Output der Matrixneuronen gelangte als hemmender Input zum Globus pallidus externa, wo die erste Negation erfolgte. Die zweite Negation erfolgte in Nucleus ruber. Von diesem gelangte das nunmehr erregende Signal einerseits absteigend zum Rückenmark, andererseits (ab einer gewissen Entwicklungsstufe des striatalen Systems) zu den Kletterfasern des zugehörigen Cerebellumclusters.

Es gab also im Striatum-Gehirn zwei Kletterfasersysteme: das magnocellulare striosomale Mittelwertsystem und das Matrix-Elementarsignale-System. Letzteres wurde in der evolutionären Entwicklung des Gehirns vom parvocellularen Signalneuronen-System der sich entwickelnden Großhirnrinde ersetzt und ist beim Gehirn mit Großhirnrinde nicht mehr vorhanden.

                                                                                                     (Ende von Theorem 2.11.)

 

Es scheint, dass die cholinerge Projektion der Matrix in die Striosomen heute bedeutungslos sein könnte. Immerhin erfolgt die Mittelwertbildung zur Aktivitätsermittlung beim modernen Gehirn in der Cortexrinde. Dennoch spielt die cholinerge Projektion auch bei modernen Gehirnen mit Großhirnrinde eine Rolle bei der Aufmerksamkeitssteuerung.

Wir rekapitulieren: Der Signalzufluss zu den acetylcholinergen Interneuronen der Matrix des Striatums erfolgt über die Substantia nigra. Also haben diese Signale bereits einen beträchtlichen Weg zurückgelegt. Wir wissen auch, dass die dopaminerge Projektion der Substantia nigra in das Striatum aus sehr dünnen, nur schwer nachweisbaren und nur wenig myelinisierten Axonen besteht. Daher wird die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Aktionspotentiale dort relativ gering sein.

Damit gibt es einen größeren Zeitunterschied zwischen dem glutamatergen Cortex-Mittelwert und dem cholinergen Striatum-Mittelwert. Letzterer kommt um einige zehntel Sekunden verspätet im Striatum an. Dennoch sorgt er für ein Aktivitätssignal. Es wird also eine neuronale Aktivität ermittelt, die vor etlichen Millisekunden vorlag. Dadurch wird eine Aufmerksamkeitskopplung zwischen unmittelbarer Gegenwart und unmittelbarer Vergangenheit bewirkt. Ein Signal erzeugt daher einen stärkeren Kletterfaser-Mittelwert, wenn unmittelbar zuvor bereits ein starkes Signal vorhanden war. So wird z. B. einer gesprochenen Silbe – als ein Signal interpretiert – mehr Aufmerksamkeit geschenkt, wenn kurz zuvor bereits eine Silbe wahrgenommen wurde. Dies ist die Grundlage für die „Bindung“ von Silben (Phonemen) zu Wörtern. Insofern ist die acetylcholinerge Projektion der Matrix des Striatums auf die Striosomen des Striatums auch bei modernen Gehirnen hilfreich und wahrscheinlich genau aus diesem Grunde nicht verkümmert. Ein Untergang der cholinergen Interneuronen wäre ein evolutionärer Nachteil gewesen, daher fand er offenbar nicht statt.

Nach diesen Überlegungen könnte nunmehr ein Modell entwickelt werden, bei dem das Striatum die Aufgaben der Großhirnrinde übernimmt. Dieses Modell könnte auch klären, wie es eigentlich zur Entstehung des Kleinhirns kam. Selbstverständlich kann dies nur eine Theorie sein, eine Art Gedankenmodell. Aber es wäre schon interessant, darüber nachzudenken, nach welchen Grundprinzipien die evolutionäre Entwicklung des Nervensystems vor sich gegangen ist. Eine Voraussetzung für solche Überlegungen wäre die Feststellung, ob die in dieser Monografie vorgestellte Theorie vom Ansatz her brauchbar ist. Solange die hier vorgestellte Theorie völlig ungeprüft ist, macht es keinen großen Sinn, aus dieser Theorie weitere, neue Theorieelemente abzuleiten. Daher sei allen Lesern empfohlen, sich zunächst mit dem hier Dargelegten zu begnügen.

ISBN 978-3-00-037458-6
ISBN 978-3-00-042153-2

Monografie von Dr. rer. nat. Andreas Heinrich Malczan